DER NEUBEGINN MODERNER PFLEGE

Pflege-IT

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ, PRÄDIKTION, ROBOTIK

Der Beruf der professionellen Pflege befindet sich in einer kaum absehbaren Krise. Der demografische Wandel und unattraktive Rahmenbedingungen verursachen einen zunehmenden Pflegefachkräftemangel. Ein innovativer und moderner Neubeginn zur Gestaltung eines ansprechenden Arbeitsumfeldes ist unvermeidbar, wenn der Beruf künftig wieder an Attraktivität gewinnen soll. Eines ist aber klar, wie bisher kann es nicht weitergehen. Und so hat die Politik den Ball bereits im vergangenen Jahr aufgenommen. Nun sind aber auch die Entscheider der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen gefragt, ein modernes Arbeitsumfeld gestalten zu wollen und die Wege dahin zu bereiten.

Möchte man aus anderen Branchen lernen, dann ist die digitale Transformation eine große Chance zur Entlastung. Damit wäre als erstes zu klären, was denn die Digitalisierung in der Pflege überhaupt ist. Einfach gesagt, ist die Digitalisierung in der Pflege, die Umwandlung von analogen Informationen und Dokumentationen in eine digitale, computergestütz- te Form, welche zur Optimierung der pflegerischen Prozesse eingesetzt werden.

Dennoch ist die Pflege in Deutschland noch nicht einmal zu einem Drittel digitalisiert. Dazu weiß man bereits, dass eine reine Digitalisierung speziell in der Pflege häufig nicht ausreichende Entlastungspotenziale freisetzt und zum Teil sogar die Pflege- prozesse behindert. Der Grund liegt oft darin, dass die Softwareprodukte meist nur digitale Abbilder der vielen Papierformulare in der Pflege sind und

häufig nicht den zu unterstützenden Pflegeprozessen folgen. Somit lassen sich allenfalls massig digitale Formulare ohne weitere digitale Nutzung füllen und Datensilos erzeugen. Dazu erhöht sich häufig auch der Zeitaufwand und der Stress für
die Pflegefachkräfte gegenüber der früheren, meist rudimentären Papierdokumentationen, die zudem auch nicht so einfach überprüfbar waren. So haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass die Gefahr der bestimmten Selbstgefährdung, also die eigene Selbstausbeutung durch die Möglichkeit immer und überall die „digitale Arbeit“ erledigen zu können und dazu noch überall und immer erreich- bar zu sein, deutlich zunimmt. Dies muss bei der digitalen Transformation zwingend berücksichtigt und organisatorisch geregelt sein.

Wenn die Digitalisierung allein nicht ausreichendes Entlastungspotenzial für die Pflegefachkräfte bietet, lohnt es sich darauf zu schauen, was denn nach der Digitalisierung kommen könnte. Denn auch hier zeigen bereits andere Branchen ein messbares Potenzial und der CareTech-Markt zunehmende Angebote auf.

KONNEKTIVITÄT

Mit Hilfe vernetzter Geräte, wie Smartphones, können Patienten zunehmend in den Pflegeprozess integriert werden. So können Assessments vorab zu Hause ausgefüllt werden, Fragen und Wünsche via App an das Pflegepersonal übermittelt, die eigenen, klinischen Termine angesehen oder gar die Nachversorger mittels Buchungsplattform gemein- sam ausgewählt werden.

AUTOMATISIERUNG

Moderne Pflege-Expertensoftware (beispielsweise www.CareIT.Pro) sind bereits heute in der Lage, selbst aufwändige und komplexe, pflegerische Prozesse vollautomatisch und zuverlässig auszuführen. Als Beispiel kann hier die Routine-Pflege- dokumentation aufgezeigt werden. Die automati- sche Ableitung von Pflegediagnosen, Interventionen und Abrechnungskennziffern aus der Pflegeanamnese und Pflege-Assessments, wie das EPA-AC, sind hier nur ein Anfang.

INTERNET OF THINGS IN CARE (IOTIC)

Mittels moderner Technologien und Sensoren werden zunehmend klassische Pflegehilfsmittel zu smarten Pflegehilfsmitteln weiterentwickelt. Werden diese mittels Internettechnologie vernetzt, sprechen wir von IoTiC. Diese intelligenten Hilfsmittel liefern selbstständig Daten über den nutzenden Patienten an die Pflege-Expertensoftware und erlauben dadurch eine automatisierte Protokollierung. Damit können Alarme, Pflegeaufgaben und digitale Prozesse eigenständig erzeugt und gestartet werden. Die Pflegefachkräfte erhalten nicht nur digitale To-do-Listen, sondern können stets den aktuellen Stand und die Qualität der Pflegeprozesse sehen und frühzeitig darauf reagieren.

So kann ein intelligenter Trinkbecher automatisch die Trinkprotokolle füllen und dazu den Patienten an das regelmäßige Trinken erinnern. Oder ein Stomabeutel-Sensor erzeugt eine automatische Pflegemaßnahme zum Wechseln des Beutels, wenn er fast voll ist. Neue intelligente Pflegematratzen, die neben Bewegung, Atmung, Lage, Druck und Schlaf des Patienten, auch eine Inkontinenz erkennen können, stellen ganz neue pflegerische Daten zur Verfügung.

BIG DATA ANALYTICS & KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (KI)

Diese Informationen führen nicht nur zu einer automatischen Dokumentation und entsprechenden Tasks, das System sucht zudem in den Daten nach wiederkehrenden Mustern. Diese Suche erfolgt über sogenannte Big Data Analytics. So kann ein intelligentes Expertensystem mittels Inkontinenzsensor feststellen, dass der Patient circa alle 3 Stunden harninkontinent ist und dieses Intervall aufzeigen. Dann kann die Künstliche Intelligenz (KI)-Komponente der Software dies lernen und die Pflegefach- kraft automatisiert nach 2,5 Stunden zum Patienten „bitten“, um mit diesem ein Blasentraining oder eine Toilettenstuhl-Mobilisation durchzuführen.

Diese Technologien ermöglichen so zunehmend eine Prädiktion, Prävention und Präskription in der Pflege. Es können damit Pflegephänomene und -risiken des Patienten sicher vorhergesagt werden und frühzeitig automatisierte, präventive Prozesse angestoßen werden. Zudem können auf Basis der erfassten Daten die besten Pflegepfade für einen individuellen Patienten vorschlagen und so die Pflegequalität und das Outcome gesteigert werden. So wird die professionelle Pflege prädiktiv-präventiv auf Pflegephänomene des Patienten reagieren können und seine Ressourcen und Selbstpflegefähigkeiten erhalten und ggfls. sogar wieder aktivieren können.

ROBOTIK

Schon heute gibt es Roboter, die im Pflegealltag eine Unterstützung bringen. So werden Tier-Roboter in der Versorgung von Alzheimer-Patienten schon seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Aber auch Roboter die Getränke verteilen und sich mit Bewohnern unterhalten, finden sich schon in unterschiedlichen Projekten. Zukünftig werden Roboter noch stärker die Pflegefachkräfte assistiv unterstützen. So werden diese Essensbestellungen aufnehmen können oder Botengänge erledigen. Exoskellete werden den Pflegenden „Superkräfte“ bei der Lagerung von Patienten verleihen und autonome Betten die Patiententransporte selbstständig erledigen.

All diese Perspektiven sind in den Anfängen schon heute verfügbar und werden die Pflegefachkräfte deutlich entlasten können. Zudem wird sich die Pflege-Profession immer stärker zu einer prädiktiv- präventiven Pflege verändern und damit auch zu einem attraktiven, modernen Hightech-Beruf. Da- für ist die Digitalisierung sicher ein erster, notwendiger Schritt. Dennoch müssen die Pflegefachkräfte hier abgeholt und für die technologisierte Zukunft fit gemacht werden. Mit dem Wissen was morgen kommen wird, lässt sich das Heute zielgerichteter gestalten, die Grundlagen schaffen und ein Neubeginn in der professionellen Pflege starten. ◆

Heiko Mania

M.Sc., MBA
Geschäftsführer NursIT Institute GmbH, Berlin

Schreibe einen Kommentar