Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System
Oder: Wie nun viele Kliniken von Versäumnissen in der Vergangenheit eingeholt werden…
Die Situationen sind vergleichbar: Als im Zuge der Einführung des PKMS im Jahre 2011 das „Förderprogramm Pflege“ auslief, da mussten sich Krankenhäuser sorgen, wie sie diejenigen Budgetlücken füllen, die durch den Wegfall des „Förderprogramm Pflege“ gerissen wurden. Alle Krankenhäuser? Nein, nur diejenigen, die die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt hatten und glaubten, der PKMS habe eine ähnliche Halbwertzeit und budgetäre Auswirkung wie die PPR. Tatsächlich aber wurden mit PKMS diejenigen Häuser in eine komfortable Situation versetzt, die in puncto Digitalisierung und Prozessoptimierung vorgearbeitet hatten und auf gute Strukturen und vorbereitete Mitarbeiter setzen konnten. Das „Dokumentationsmonster“ PKMS ist dann zweifelsohne ein solches, wenn man die Möglichkeiten digitalisierter Pflegedokumentation nicht nutzt. Ist man aber vorbereitet gewesen, so haben selbst Häuser mittlerer Größe jährlich mehrere Hunderttausend Euro erwirtschaften können und der Switch vom „Förderprogramm Pflege“ zu PKMS als Generator für Budgetanteile war willkommen und gar von Vorteil im Vergleich zu den Rahmenbedingungen zuvor.
Es steht nun eine ähnliche Weichenstellung bevor. Es ist beschlossen, dass die Pflege und ihre Leistungen ab dem kommenden Jahr aus den Berechnungen der DRGs herausgerechnet werden. Dies ist für viele Krankenhäuser eine Situation, die Unsicherheit schürt. Man ahnt, dass das was kommt einer Dokumentations- und Nachweispflicht bedarf, auf die eine Vielzahl der Krankenhäuser nicht vorbereitet ist.
Das derzeit bestehende Pflegebudget kann in der Theorie von jedem Haus verteidigt oder gar aufgestockt werden. Es ist jedoch absehbar, dass hierzu künftig eine lückenlose und belegbare Dokumentation des Pflegeprozesses nötig ist. Wer über die Möglichkeit, dies abzubilden, nicht verfügt, wird in ernste Schwierigkeiten geraten, sein Budget aufrecht zu erhalten.
Im Fokus des Gesetzestextes steht die Abgrenzung der Pflegepersonalkosten für die unmittelbare Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen. Die Krankenhäuser haben die Vorgaben zur Abgrenzung ihrer Kosten und Leistungen rückwirkend ab dem 01.01.2019 anzuwenden. Das bedeutet, dass die Pflegepersonalkosten für das Jahr 2019 gemäß KHEntgG als Ausgangsgrundlage für die erstmalige Ermittlung des Pflegebudgets im Vereinbarungszeitraum 2020 dienen und somit maßgeblich für die Abgrenzung der DRG-relevanten Kosten von denjenigen Kosten sind, die bei der Ermittlung des Pflegebudgets zu berücksichtigen sind. Viele Häuser fühlten sich dadurch veranlasst, das Pflegebudget in 2019 umfangreich aufzustocken. Dies geschah und geschieht in dem Glauben, dass das, was in 2019 vorhanden ist, die Grundlage für das Budget in 2020 ist. Das stimmt auch, jedoch ist das Vorhandensein nur die halbe Miete. Die aktuellen Veränderungen zeigen, dass zukünftig auch sehr genau belegt werden muss, dass für die hinter dem (aufgestockten) Pflegebudget stehenden Pflegekräfte auch die entsprechende Arbeit vorhanden ist. Und hier kommt die Krux: Wir allen wissen, dass sie das ist, aber wie belegt dies ein Krankenhaus mit überalterten Pflegedokumentationssystemen auf Papier oder stumm digitalisierten Formularsammlungen?
Das mit der Ausarbeitung eines konkreten Umsetzungsvorschlages beauftragte InEK möchte den Pflegerlös ab 2020 über eine separate Spalte in den Anlagen 1 und 3 der Entgeltordnung abbilden. Für die Rechnungsstellung wird ein neuer Entgeltbereich geschaffen. Dieser unterscheidet an den ersten beiden Stellen die Entgelte für Pflege am Bett je Tag von den bisherigen Fallpauschalen.
Daraus ist abzulesen, dass künftig sehr genau belegt werden muss, was Pflege am Bett je Tag geleistet hat und warum das Geleistete auch erforderlich war. Anders ausgedrückt: Von Krankenhäusern wird künftig erwartet, begründetes Pflegehandeln nachweisen und die je Tätigkeit aufgewendete Zeit belegen zu können. Dies können jedoch nur diejenigen Häuser wirklich, in denen Pflegedokumentationssysteme etabliert sind, die eine automatisierte Gründe- und Maßnahmenkombination aus einem validen Assessment ableiten und einen Pflegedokumentationsnachweis anbieten, der den zeitlichen Umfang der durchgeführten Maßnahmen beinhaltet.
Die Politik belohnt künftig also diejenigen, die sich in Sachen digitalisierter Pflegeprozessdokumentation frühzeitig auf den Weg gemacht haben. Der Reflex vieler Krankenhäuser, in 2019 zahlreiche Pflegekräfte einzustellen, in der Hoffnung, diese bleiben einem auch unter der neuen Gesetzeslage in 2020 erhalten, wird sich also nur dann auszahlen, wenn diese Pflegekräfte auch die Möglichkeit haben, die Notwendigkeit und Dauer ihrer Arbeit zu belegen. Ansonsten wäre eine Investition in eine digitalisierte Pflegedokumentationssoftware, die, wie etwa careIT pro die Möglichkeit bietet, alle Pflegemaßnahmen begründet zu planen und den Zeitaufwand minutengenau zu dokumentieren, die nachhaltigere Investition gewesen.
Die exakte Systematik zur Herausrechnung der Pflege aus den DRG soll planmäßig von der Selbstverwaltung im September dieses Jahrs vorgestellt werden. Unabhängig davon, wie diese im Detail aussehen wird, ist schon jetzt klar: So wie eine digitalisierte und automatisierte Pflegedokumentationssoftware die Prozesse der Pflegenden optimiert, erhält sie auch die Manövrierfähigkeit der Krankenhäuser, da die Softwaremodifikation als Reaktion auf die Veröffentlichung der Überlegungen des InEK im September ein Leichtes sein wird im Vergleich zu dem, was dann auf diejenigen Krankenhäuser zukommt, die in puncto Dokumentation begründeten Pflegehandelns und Nachweis verwendeter Zeitkontingente schon vor Jahren den Sprung auf den richtigen Zug verpasst haben.
Autor: Stephan Hohndorf-Meurs